26.05.2023 | Mirco Gröger
Resilienz steigern: Elf empirisch gestützte Schutzfaktoren zur Stärkung der Widerstandskraft gegen Stress
Zusammenfassung
- Bei Resilienzfaktoren ist auf empirische Evidenz zu achten.
- Übersichtsarbeiten bieten mehr Aussagekraft als Einzelstudien.
- Resilienzfertigkeiten sind Verhaltensweisen, die sich positiv auf die Resilienzfaktoren auswirken.
- Das Leibniz-Institut für Resilienzforschung hat elf Resilienzfaktoren identifiziert.
- Resilienzfaktoren können auch noch im Erwachsenenalter trainiert werden.
In zahlreichen empirischen Studien konnte eine Vielzahl (neuro)biologischer, psychischer und sozialer Schutzfaktoren identifiziert werden, die die Widerstandskraft gegen Stress erhöhen und sich somit positiv auf die Resilienz von Menschen auswirken. Diese Schutzfaktoren werden deshalb häufig als Resilienzfaktoren bezeichnet. Doch welche Eigenschaften oder Verhaltensweisen können als Resilienzfaktoren bezeichnet werden?
Viele Autoren benennen mehr oder weniger aus dem Bauch heraus sieben Resilienzfaktoren und preisen sie dann als die „7 Schlüsselfaktoren der Resilienz“ an. Mit einer wissenschaftlichen Betrachtungsweise hat das allerdings oft wenig zu tun. Deshalb muss bei den unterschiedlichen Resilienzfaktoren unbedingt der Grad der empirischen Evidenz beachtet werden – also die wissenschaftliche Nachweisbarkeit.
Wenn beispielsweise bestimmte Faktoren nur in einer Studie genannt werden, weil sich beispielsweise die Forschungsergebnisse nicht replizieren lassen oder ein bestimmter Resilienzfaktor unterschiedlich definiert wird, sollten die Ergebnisse mit Vorsicht interpretiert werden. Denn Einzelstudien haben nur eine geringe empirische Evidenz und damit auch nur eine geringe Aussagekraft.
Übersichtsarbeiten mit großer empirischer Evidenz
Den höchsten Evidenzgrad haben sogenannte Reviews oder Metaanalysen. Diese Übersichtsarbeiten fassen den Forschungsstand aller relevanten Studien zusammen und rechnen alle darin enthaltenen Daten noch einmal nach.
Um in eine dieser Übersichtsarbeiten aufgenommen zu werden, gilt es, bestimmte Standards und Qualitätsmerkmale zu erfüllen. Dabei gelten Cochrane Reviews als Übersichtsarbeiten, die international den höchsten Standard aufweisen. In einem Cochrane Review des Leibniz-Instituts für Resilienzforschung, konnten elf Resilienzfaktoren identifiziert werden, die auch im E rwachsenenalter noch trainiert werden können (Kunzler et al. 2020). … dieser Link soll zu dieser Seite führen: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/32627860/
Was ist der Unterschied zwischen Resilienzfaktoren und Resilienzfertigkeiten?
Neben dem Begriff Resilienzfaktor ist in der Literatur auch oft von Resilienzfertigkeit die Rede. Die Abgrenzung der Begriffe ist recht einfach: So sind Resilienzfaktoren Eigenschaften, Einstellungen, Gefühle sowie Denk- und Verhaltensweisen von denen die Wissenschaft nachweisen konnte, dass sie sich positiv darauf auswirken, belastende Lebensereignisse und -umstände gut bewältigen zu können und im besten Fall sogar an ihnen zu wachsen.
Als Fertigkeiten werden in der Psychologie aufgabenbezogene Leistungen verstanden, die erlernbar bzw. trainierbar sind und bestimmte Fähigkeiten voraussetzen.
Resilienzfertigkeiten sind entsprechend konkrete Verhaltensweisen, die sich positiv auf die übergeordneten Resilienzfaktoren auswirken können. Das „Erleben positiver Emotionen“ ist beispielsweise eine Ressource, die als Resilienzfaktor verstanden werden kann.
Fertigkeiten, die genutzt werden können, um positive Emotionen zu erleben, sind nach diesem Verständnis Resilienzfertigkeiten. Das können etwa soziale und emotionale Fertigkeiten sein, die eine Person befähigen, positive Beziehungen mit anderen Menschen zu gestalten oder für das Erleben positiver Erlebnisse zu sorgen. Auch die Fertigkeit der Selbstwahrnehmung, um eigene Bedürfnisse und Wünsche wahrzunehmen sowie die Fertigkeit der Selbstregulation, um sich aktiv um die eigenen Bedürfnisse zu kümmern sind treffende Beispiele für Resilienzfertigkeiten, die den Resilienzfaktoren untergeordnet sind.
Elf Resilienzfaktoren mit hoher wissenschaftlicher Evidenz
Zurück zu den elf Schutz-, bzw. Resilienzfaktoren, wie sie durch das Leibniz-Institut für Resilienzforschung in ihrem Cochrane Review von Kunzler et al. (2020) identifiziert wurden. Ausführlichere Informationen zu einzelnen Resilienzfaktoren, werde ich nach und nach in weiteren Blogartikeln veröffentlichen.
- Aktives Coping
- Selbstwirksamkeit
- Optimismus
- Soziale Unterstützung
- Kognitive Flexibilität
- Spiritualität
- Erleben positiver Emotionen
- Hardiness (Engagement, Kontrolle, Herausforderung)
- Selbstwertgefühl
- Erleben von Sinnhaftigkeit, Bedeutung im Leben sehen
- Kohärenzgefühl (Antonovsky: verstehbar, bewältigbar, sinnhaft)
Weitere Informationen finden sich bei Bengel und Lyssenko (2012), die im Auftrag der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung(BZgA) eine umfangreiche Recherche zum Thema: Schutz- und Resilienzfaktoren im Erwachsenenalter, durchgeführt haben. Die gesamte Broschüre kann bei der BZgA kostenlos heruntergeladen werden: https://shop.bzga.de/band-43-resilienz-und-psychologische-schutzfaktoren-im-erwachsenenalt-60643000/